Am 9. August 2020 jährt sich der Todestag von Jacqueline «Jackie» Cochran zum 40. Mal. Als eine der bekanntesten Fliegerinnen der USA durchbrach sie als erste Frau die Schallmauer. Und sie stellte mehrere weitere Rekorde auf. Ihre Biographie «Mein Weg zu den Sternen», geschrieben 1954, erzählt von einer wahrhaft erstaunlichen Frau.
«Ich bin ein Ausreisser von der Sawdust Road, dem ‹Sägemehlweg› in Nord-Florida.» So beginnt die Biographie einer der grössten Pionierin der Luftfahrt. Sie nennt sie eine «Geschichte vom Fliehen, vom Festen und Fliegen, von Übelgerüchen und Wohlgerüchen, von Zier und Gier, von Königen und Rekorden, von Kriegsmachern und Friedenshelden – alles bunt durcheinander.»
Jacqueline Cochran kam am 11. Mai 1906 in Muscogee (Florida) als jüngstes von fünf Kindern einer sehr armen Familie zur Welt. Nach ihrer Geburt hiess sie eigentlich Bessie Lee Pittman. In einer baufälligen Hütte auf einem kleinen Anwesen unweit von Muscogee sei sie aufgewachsen, kannte weder Spielzeug noch Schuhe. Ihre Kleidung bestand aus weggeworfenen Mehlsäcken. Nahrung musste sie im Wald suchen, ihre Eltern soweit möglich unterstützen und die Schule verlassen, um einen kargen Dollar zu verdienen. Nach Arbeiten in einer Baumwollfabrik und einer Lehre in einem Schöhnheitssalon liess sie sich zur Krankenpflegerin ausbilden. Doch sie blieb bei der Schönheitspflege und fand eine Anstellung in New York und Miami. Fortan nannte sie sich Miss Jackie Cochran. Dort lernte sie ihren künftigen Ehemann Floyd Odlum kennen, der ihr vom Fliegen erzählte.
1932 «erblickte die Fliegerin das Licht der Welt»
An einem strahlenden Sommertag 1932 in einer Fliegerschule auf Long Island, so schrieb sie, «hörte die Friseuse Cochran zu existieren auf und die Fliegerin erblickte das Licht der Welt». Nach dem Soloflug am dritten Tag hatte sie nach knapp drei Wochen ihr Flugbrevet in den Händen. Nach einem ersten Auslandflug nach Montreal zog es sie nach San Diego. Bei der Pensacola Naval Flying School war sie jeden Sonntagabend Gast auf dem Kriegsschiff «West Virginia». Bald kaufte sie ein altes Travelair-Flugzeug mit Gipsy-Motor für 1200 Dollar. Unterricht erteilte ihr der Chefpilot der Pan Am. 1933 erwarb Jacqueline Cochran ein ausrangiertes Langstrecken-Flugzeug des Typs Gamma, das zur Postbeförderung eingesetzt worden war, um damit am Wettfliegen von England nach Australien teilzunehmen. Nach einigen Notlandungen und kostspieligen Reparaturen vercharterte sie diese Maschine an den exzentrischen Piloten Howard Hughes (1905–1976), der damit problemlos einen amerikanischen Transkontinental-Rekord aufstellte. 1934 beteiligte sich Cochran – neben der Engländerin Amy Johnson-Mollison (1903–1941) und der Deutschen Thea Rasche (1899–1971) – mit einem Flugzeug des Typs Gee Bee als eine von drei Frauen am MacRobertson-Wettflug von London (England) nach Melbourne (Australien). Als «Jackie» während der ersten Etappe nach Bukarest (Rumänien) über den Karpaten den Treibstoff aus einem Tank in den anderen leitete, setzte der Motor aus. Ihr Kopilot Wesley Smith wollte deswegen mit dem Fallschirm abspringen, doch die Cockpithaube war verklemmt und ging nicht auf. «Jackie» bewegte die Treibstoffschalter in verschiedene Richtungen und plötzlich setzte der Motor wieder ein. Die Hersteller hatten die Schalterbeschriftungen für «Offen» und «Zu» verwechselt. Bei der Landung in Bukarest liess sich eine Landeklappe nur wenig und die andere gar nicht bewegen, weshalb die Maschine zeitweise die Balance verlor. Cochran gab wegen des Versagens der Bee Gee das Rennen auf.
Rekorde, Hochzeit und Auszeichnungen
In den folgenden Jahren siegte Jacqueline Cochran bei vielen Weltflügen und stellte zahlreiche Rekorde auf. 1935 gründete sie ein eigenes Unternehmen (Jacqueline Cochran Cosmetics), in dem sie bis 1963 arbeitete. 1936 heiratete sie Floyd Odlum, Rechtsanwalt, Industrieller und einer der reichsten Männer der USA. 1937 machte sie als erste Frau der Welt eine Instrumentenlandung (Blindflug). Im Dezember 1937 flog sie in der Rekordzeit von 4 Stunden 12 Minuten nonstop von New York City nach Miami.
Im Langstreckenjäger-Prototyp Seversky AP-7 mit 1200 PS und Zusatztanks in den Tragflächen gewann «Jackie» 1938 als erste Frau das Bendix Transcontinental Air Race. Für die 3286 Kilometer von Los Angeles
(Kalifornien) nach Cleveland (Ohio) benötigte sie 8 Stunden 10 Minuten 31 Sekunden, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 400 km/h entsprach. Und dies, obwohl bald nach dem Start der Zufluss des Treibstoffs aus dem rechten Flügel zum Motor nicht recht funktionierte, weshalb die Pilotin das Flugzeug immer wieder schief stellen musste. Später stellte man fest, dass sich dicht am Auslass des rechten Flügels ein Klumpen Packpapier befand.
Ab 1938 wurde Jacqueline Cochran drei Mal hintereinander als «beste Fliegerin der Welt» mit der International Harmon Trophy ausgezeichnet. Diese Ehre widerfuhr ihr 1953 und 1961 noch einmal. 1939 stellte sie einen Höhen-Weltrekord für Frauen auf. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs brach sie zahlreiche Rekorde, führte Testflüge für viele amerikanische Flugzeug-firmen durch und kümmerte sich nebenher um ihre Firma, zu der ein Schönheitssalon in Chicago und ein chemisches Laboratorium in New Jersey gehörten.
Einsatz in der Luftwaffe
Nach dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg 1941 meldete sich Cochran zum Flugzeugüberführungskommando, das schwere Bomber nach England schaffte. Doch man wies sie ab, weil ihre männlichen Kollegen keine Frau unter sich haben wollten. Sie liess nicht locker und überführte im Juni 1941 als erste Frau einen Bomber des Typs Lockheed Hudson V von Kanada über den Atlantik nach Grossbritannien. Im
Juli 1941 kehrte sie in die USA zurück und rekrutierte dort 25 amerikanische Fliegerinnen als Überführungspilotinnen für die britische Air Transport Auxiliary (ATA).
Mit Unterstützung von General Henry Harley («Hap») Arnold (1886–1950), dem Chef der Heeresluftwaffe (Army Air Force), gründete Jacqueline Cochran 1942 das Women’s Pilot Training Program in Houston
(Texas). Dieses zog später nach Sweetwater (Texas) um. Im Herbst 1942 entstand in den USA unter Aufsicht des Lufttransportkommandos der Heeresluftwaffe eine Überführungsabteilung von amerikanischen Pilotinnen, die Women’s Auxiliary Ferrying Squadron (WAFS). Im Juli 1943 wurde die WAFS der neuen Organisation Women Airforce Service Pilots (WASP) mit Jacqueline Cochran als Direktorin unterstellt.
Während des Zweiten Weltkriegs überquerte «Jackie» für die amerikanischen Streitkräfte insgesamt mehr als hundert Mal den Atlantik. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie von einer amerikanischen Zeitschrift eingestellt, um über wichtige Ereignisse der Nachkriegszeit zu berichten. In dieser Funktion stand sie im Sommer 1945 auf den Philippinen bei der Unterzeichnung der japanischen Kapitulationsurkunde an der Seite von General Douglas MacArthur (1880–1964). Ausserdem beobachtete sie die Nürnberger Prozesse gegen ehemalige Nazi-Grössen in Deutschland. Zudem reiste sie in viele Länder (Guam, Japan, China, Ägypten, Persien, Deutschland) und traf berühmte Persönlichkeiten wie Madame Tschiang Kai-scheck, Mao Tse Tung (1893– 1976) und den jungen Thronfolger Reza Pahlevi (1919–1980).
1951 galt Jacqueline Cochran als eine der 25 herausragenden Unternehmerinnen in den USA. Von der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) wurde sie 1951 und 1953 zur «Woman of the Year in Business» erkoren. Zu ihrem Freundeskreis gehörten bedeutende Persönlichkeiten aus Luftfahrt, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.
Jacqueline Cochran und ihr Ehemann Floyd Bostwick Odlum unterstützten 1952 finanziell die Präsidentschaftskandidatur des ehemaligen Generals Dwight D. Eisenhower (1890–1969) für die Republikaner. Eisenhower war von 1953 bis 1961 der 34. Präsident der USA und ein enger Freund von «Jackie» und ihrem Mann. Politisch blieb sie konservativ und war keine Feministin.
Durch die Mauer des Schalls
Am 18. Mai 1953 startete Cochran mit einer von der kanadischen Luftwaffe entliehenen F-86 Sabre vom Rogers Dry Lake und erreichte eine Geschwindigkeit von knapp 1050 km/h. Damit überschritt sie als erste Frau der Welt Mach 1. Der US Air Force- und Chef-Testpilot Charles «Chuck» Yeager, der sechs Jahre zuvor als erster Mensch die Schallmauer durchbrochen hatte, flog bei diesem Rekordflug in einer Begleitmaschine neben ihr. Yeager schrieb einmal über nachfolgende Flüge: «Ich habe als erster Mann, sie als erste Frau die Schallmauer durchstossen. Wir haben Seite an Seite eine Höhe von 15 bis 16 Kilometer erreicht, gingen von dort aus mit Vollkraft in Sturzflug und überholten so in einer Art Überschallduett die Geschwindigkeit des Schalls.» Jackie übertraf den Geschwindigkeitsrekord für Frauen, den zuvor Jacqueline Auriol (1917–2000), die Schwiegertochter des französischen Staatspräsidenten Vincent Auriol (1884–1966), hielt, und zugleich den von einem Mann gehaltenen Geschwindigkeitsrekord für Düsenflugzeuge auf einer 100-Kilometer-Strecke.
In den 1960-er Jahren sponserte Jaqueline Cochran das von ihr finanzierte private Mercury 13-Programm. Dabei testete man die Fähigkeiten von 13 Pilotinnen für eine Verwendung als Astronautinnen. Einige der Kandidatinnen übertrafen sogar die Ergebnisse männlicher Astronauten. Das Projekt scheiterte am männlichen Widerstand aus Militär und Raumfahrt. Mit 1356 km/h brach Cochran 1961 erneut einen zuvor von Jacqueline Auriol aufgestellten Weltrekord. Den miteinander befreundeten Pilotinnen Cochran und Auriol wurde damals abwechselnd der Ehrentitel «Schnellste Frau der Welt» verliehen. Am 22. Juni 1962 übertrumpfte Auriol mit 1849 km/h wieder Cochran und noch im selben Jahr Cochran mit 1937,15 km/h Auriol. Mit einem Militärjet des Typs Northrop T-38 brach Cochran 1962 neun internationale Rekorde für Geschwindigkeit, Höhe und Distanz.
Internationale Ehrungen
Im Alter von 57 Jahren erreichte Jacqueline Cochran 1963 mit einem Lockheed F-104 Starfighter eine Geschwindigkeit von 1263,686 mph (umgerechnet rund 2020 km/h bzw. Mach 2). 1964 schaffte sie mit rund 2300 km/h einen neuen Weltrekord. Ihre Flüge führten über alle Erdteile und Meere. Staatsoberhäupter von Wilson bis Eisenhower, von Churchill bis Mao haben ihren Umgang geschätzt und Papst Pius XII. empfing sie in einer Privat-Audienz. Sie blieb bis zu ihrem Tod die «schnellste Frau der Welt», weswegen man sie «Speed Queen» nannte. 1956 wurde Jacqueline Cochran zur Vizepräsidentin und 1958 zur Präsidentin der Fédéral Aeronautique Internationale gewählt. 1971 nahm man sie als erste Frau in die Aviation Hall of Fame in Dayton (Ohio) auf. Damals machte sie auf dem Pariser Luftfahrtsalon ihren letzten Flug. Ihre fliegerische Karriere wurde aus gesundheitlichen Gründen durch einen Herzschrittmacher beendet. Ihre Biographie schliesst sie mit «Ich hoffe stark, dass die wissenschaftlichen Errungenschaften unserer Epoche, die den Raum und die Zeit überwindenden Erzeugnisse unserer Technik die Menschen glücklicher machen werden. Meine Lebensgeschichte führt aus Sümpfen zu den Sternen empor. Bemühe Dich so, als hättest Du nichts!»
Am 9. August 1980 starb Jacqueline Cochran im Alter von 74 Jahren in ihrem Haus in Indio (Kalifornien), das sie gemeinsam mit Floyd Odlum bewohnt hatte. Man setzte sie im Coachella Valley bei. Nach ihr wurden ein 100 Kilometer grosser Krater auf dem Planeten Venus und der Flughafen Jacqueline Cochran Regional Airport bei Palm Springs in Kalifornien benannt. 1996 ehrte sie die US-Post mit einer 50-Cent-Briefmarke und 2003 die «Women in Aviation International» als eine der 100 wichtigsten Frauen in der Luftfahrt.
Berühmte Fliegerinnen
- Lilian Todd, USA (1865 – 1937)
Sie ist die erste Frau, die ein Flugzeug konstruierte. - Käthe Paulus, D (1868 – 1935)
Sie war die erste deutsche Berufsluftschifferin, Luftakrobatin und Erfinderin des zusammenlegbaren Fallschirms. - Harriet Quimby, USA (1875 – 1912)
Sie erlangt als erste Frau in den USA den Flugschein. 1912 überquert sie im Alleinflug als erste Frau den Ärmelkanal. - Raymonde de Laroche, F (1882 – 1919)
Die erste Frau der Welt mit einer Pilotenlizenz. - Katherine Stinson, USA (1891 – 1977)
Die erste Frau, die einen Mehrfachlooping flog, erste Besitzerin einer Flugschule, erster Nacht-Alleinflug einer Frau. - Marjorie Stinson, USA (1896 – 1975)
Erste Luftpostpilotin, Schwester von Katherine Stinson. - Amelia Earhart, USA (1897 – 1937)
Erster Transatlantik-Flug als Passagierin 1928, überquerte als erste Frau im Alleinflug den Atlantik fünf Jahre nach Charles Lindbergh.1937 im Pazifik verschollen. - Beryl Markham, Afrika (1902 – 1986)
Sie gilt als erste Berufspilotin Afrikas. Als Kind kommt sie mit ihrem Vater aus England nach Kenia. 1930 macht sie in Ostafrika ihren Berufspilotinnenschein. 1936 überquert sie als erster Mensch den Atlantik in Ost-West-Richtung von England nach Amerika. 2003 ehrt man die britische Flugpionierin als eine der 100 wichtigsten Frauen in der Luftfahrt. - Jaqueline Cochran, USA (1906 – 1980)
Sie hat als erste Frau die Schallmauer durchbrochen. 1958 wurde Jacqueline Cochran zur Präsidentin der FAI gewählt. Als erste Frau überhaupt wurde sie 1971 in die National Aviation Hall of Fame in Dayton (Ohio) aufgenommen. - Jacqueline Auriol, FRA (1917 – 2000)
Sie durchbrach als erste Europäerin die Schallmauer. - Elly Beinhorn, D (1907 – 2007)
Sie fliegt am 13. August 1935 als erste Frau an einem Tag von Deutschland nach Asien und zurück. Auf vielen Flughäfen, auf denen sie landet, ist sie die erste weibliche Pilotin überhaupt. Schweizer Flugpionierinnen Informationen über Schweizer Flugpionierinnen sind dünn gesät. In Publikationen zur Geschichte der Schweizer Luftfahrt ist nur wenig zu finden. Zu den ersten Pilotinnen der Schweiz gehörten die St.Gallerin Margaret Fusbahn, die Zürcherin Else Haugk und die Bernerin Myriam Stefford. Das Porträt über Ursula Bühler Hedinger ist auf Seite 15 in dieser Ausgabe nachzulesen.
➝ Dies ist lediglich ein Auszug aus der langen Liste der bedeutenden Pilotinnen in der Geschichte der Luftfahrt.