Drei US-Start-ups, die um einen Nachfolger der legendären Concorde kämpfen, stehen vor einer weiteren großen Hürde neben der Entwicklung eines Low-Boom-Jets. Sie müssen Lärmbeschränkungen für Überschall-Passagierflüge über Land erfüllen. Diese sind allerdings von der Federal Aviation (FAA) mit starker Unterstützung von der Trump-Administration bereits gelockert worden. Das Problem ist, dass schnelleres Fliegen als die Schallgeschwindigkeit zu einem starken CO2-Fußabdruck führen wird. Überschall-Jetliner würden noch größere Verschmutzer sein als Unterschallflugzeuge, und das ist die Sorge, die die Startups ebenfalls angehen müssen.
Fortschritte in der aerodynamischen Konstruktion, Materialien und Antrieb haben die Möglichkeit einer Wiederbelebung der Überschall-Passagierflug sowie die öffentliche Aufregung rund um die Idee inspiriert. Allerdings haben auch die wachsenden öffentlichen und politischen Bedenken hinsichtlich der globalen CO2-Emissionen zugenommen. Unterschallflugzeuge sind bereits berüchtigt als Verschmutzer auf der Welt in Bezug auf die Menge der CO2-Emissionen pro Passagier. Die Luftfahrtindustrie spürt den Druck, sich auf Nachhaltigkeit zu konzentrieren, einschließlich alternativer Kraftstoffe und neuer Triebwerk- Technologien.
„Die öffentliche Meinung hat eine klare Botschaft an die Regierungen: Zusammenarbeit mit der Luftfahrt, um Investitionen in saubere Kraftstoffe und neue Hybrid- und Elektrotechnologien zu fördern. Dies wird den Fluggesellschaften helfen, die Emissionen bis 2050 zu halbieren“, kommentierte Alexandre de Juniac, Generaldirektor und CEO der International Air Transport Association (IATA), in einer offiziellen Stellungnahme zu der von IATA In Auftrag gegebenen Untersuchungen.
An der 75. Jahrestagung verabschiedete die IATA eine Resolution, in der die Regierungen aufgefordert werden, die im Rahmen der Internationalen Zivilluftfahrt (CORSIA) der Vereinten Nationen vereinbarte CO2-Ausgleichs- und -Reduktions-regelung für die internationale Luftfahrt vollständig umzusetzen. CORSIA ist laut IATA das erste globale Instrument für die CO2-Preisgestaltung für einen Industriesektor. Sie zielt darauf ab, die Netto-CO2-Emissionen des internationalen Luftverkehrs auf das Niveau von 2020 zu begrenzen, was im Wesentlichen verhindert, dass der CO2-Fußabdruck der Luftfahrt wächst. Der nächste Schritt ist, wie die IATA schreibt, die Senkung der Nettoemissionen bis 2050 auf das Niveau von 2005.
Das Problem mit „sauberen“ Überschallflugzeugen
Bedenken hinsichtlich der Emissionen aus dem Luftverkehr wurden auch auf der diesjährigen Paris Airshow geäussert, wo Innovation und elektrischer Flug im Vergleich zu früheren Ereignissen eine große Rolle spielten. Ebenfalls auf der Messe war eines der US-Start-ups, die derzeit um die Entwicklung eines Überschall-Passagierjetliners konkurrieren. Das in Denver (Colorado) ansässige Unternehmen Boom Supersonic nutzte die Gelegenheit, um die strategischen Pläne für den Roll-out des zweisitzigen Überschall-Demonstrator-Flugzeugs XB-1 im Dezember 2019 vorzustellen. Neben der Präsentation der Meilensteine des XB-1-Programms war das Unternehmen auch bestrebt, die „grünen“ Qualifikationen des Flugzeugs und die „Verpflichtung des Unternehmens, die Umweltauswirkungen von Überschall-reisen zu mildern“, zu bestätigen. Während einer Pressekonferenz auf der Airshow kündigte das Start-up seine nachhaltige Partnerschaft mit Prometheus Fuels an. Laut Boom ermöglichten alternative Kraftstofftests mit dem XB-1 dem Unternehmen, „die CO2-Auswirkungen des Überschallflugs zu minimieren, indem der Demonstrator mit einer reinen Biokraftstoff-Formel betrieben wird“, heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung.
Boom hofft, dass der XB-1 im Massstab 1:3 als Demonstrator den Grundstein für die Entwicklung eines 75-Sitzer-Werbe-Jetliners Mach 2.2 namens „Overture“ legen wird. Das Unternehmen sagt, dass das Flugzeug das schnellste und sauberste Überschall-Passagierflugzeug der Geschichte sein wird – es hofft, dass alternative Kraftstoffe den CO2-Fußabdruck der „Overture“ um rund 80 % reduzieren werden. Abgesehen davon, dass es das schnellste und sauberste ist, wie Boom es sich vorstellt, soll das Flugzeug auch ein erschwingliches Überschall-Verkehrsflugzeug sein, mit Preisen, die mit den heutigen Preisen für Langstreckentickets in der Business-Klasse vergleichbar sind.
Das Problem für Boom wie auch für seine Konkurrenten – Aerion Supersonic und Spike Aerospace (die beiden konzentrieren sich eher auf Überschall-Geschäftsflugzeuge), welche alle starke Unterstützung von der Trump-Administration haben, ist jedoch, dass sie darauf bedacht sind, bestehende Triebwerke zu modifizieren anstatt in die Entwicklung von Überschallmotoren zu investieren, die den Emissions- und Lärmnormen entsprechen. Doch laut einer Studie, die der International Council on Clean Transportation (ICCT) im Januar 2019 veröffentlicht hat, werden solche modifizierten Triebwerke fünf- bis siebenmal mehr Treibstoff pro Passagier verbrennen als Unterschalljets.
Boom, Aerion & Spike im Überschall-Jet-Rennen
Die drei aufstrebenden Unternehmen – Boom Supersonic, Aerion und Spike Aerospace – scheinen sich der Wiedereinführung des Überschallflugs für Zivilisten näherzukommen. Alle drei Unternehmen glauben an den kommerziellen Erfolg transozeanischer Strecken und hoffen, Flugzeuge ab Mitte der 2020er Jahre ausliefern zu können.
Die ICCT-Forscher bewerteten die Lärm- und Klimaauswirkungen der uneingeschränkten kommerziellen Überschall-Flugzeugentwicklung anhand von Booms Design als Bezugspunkt. Obwohl beispielsweise die genaue Triebwerkskonfiguration für Booms „Overture“-Jet noch nicht bekannt gegeben wird, ist bekannt, dass der XB-1-Demonstrator von drei kleinen Turbojet-Triebwerken von General Electric J85-15 angetrieben wird, dem dienstältesten Militärjetantrieb von GE, welcher auch in der Zivilluftfahrt eingesetzt wird.
Laut Reuters-Berechnungen werden die modifizierten Triebwerke 40 % mehr Stickstoff und 70 % mehr Kohlendioxid ausstoßen und damit die globalen Grenzwerte für neue Unterschall-Düsentriebwerke überschreiten. Nicht-Kohlenstoff-Emissionsfaktoren einschließlich Stickoxide, aber auch Wasser-dampf, Ruß und Luftfahrt-induzierte Trübung werden aufgrund der hohen Flughöhe von Überschalljets voraussichtlich ebenfalls signifikant sein, sagen ICCT-Forscher.
Die ICCT-Forscher kommen zum Schluss, dass neue Überschallflugzeuge nicht in der Lage wären, die aktuellen Standards sowohl für Emissionen als auch für Lärmgrenzwerte zu erfüllen. Nichtsdestotrotz befürwortet die Non-Profit-Organisation, dass die Regulierungsbehörden diese Unterschallnormen auf kommerzielle Überschallflugzeuge anwenden. Die einzige Möglichkeit, diese Anforderungen einzuhalten wäre die Schaffung eines neuen Triebwerks mit einem Betriebs-Zyklus, welcher beim Start und im Reiseflug variabel funktionieren würde.
Quelle: www.boomsupersonic.com
Titelbild: Boom Supersonic „Overture“